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Menschen & Mandolinen: Mari Fe Pavón & Juan Carlos Muñoz

Mari Fe Pavón & Juan Carlos Muñoz

Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline
Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline

Wie denkt ihr über Transkriptionen – zum Beispiel von Bach-Violinkonzerten?

Transkriptionen hat es auch in der Barockzeit gegeben. Andererseits wissen wir, dass Bach nichts für Mandoline komponiert hat. Seine Konzerte klingen so schön auf der Violine. Braucht man sie für die Mandoline? Die Mandoline hat den Ruf, dass es kein Repertoir für sie gäbe, darum der Drang zu Transkriptionen. Wir haben hier vor Ort eine Mandolinenklasse aufgemacht, weil wir Originalmusik gespielt haben. Der Direktor des Hauses und die Politiker, die über die Finanzen entscheiden, sahen: „Ach es gibt ja ein Repertoir!“ Bach-Transkriptionen sind mehr für das Business. Wenn man im Mandolinenquartett nur Mozart aufnimmt – was bringt das musikalisch? Mozart verkauft sich gut. Bach verkauft sich gut. Vivaldis Vier Jahreszeiten verkaufen sich ebenfalls gut, wobei viele Töne nicht für die Mandoline geeignet sind. Wir sind ja bei verschiedenen Labels und wissen, was diese wollen. Aber schöner als mit der Violine wird es nicht. Wir spielen auf Barockfestivals in der ganzen Welt – aber nicht Bach oder Mozart. Die Leute würden sagen: „Was ist denn original bei euch?“

Und wenn Studierende solche Werke spielen?

Für Schüler ist es hilfreich zum Verständnis der Musik. Es ist sehr wichtig, den Stil von Bach oder Corelli zu kennen. Bach ist einmalig. Wir haben allerdings mehr Interesse daran, zu zeigen, was die Mandoline in der Barockzeit war. Wir arbeiten für unser Instrument. Zum Beispiel gibt es die Santini-Sammlung in Münster. Dort findet man für die Mandoline lauter Originalliteratur, alleine schon drei Sonaten in Tabulatur niedergeschrieben! Man muss nur nach Originalen suchen…

 

Spürt man, ob etwas für Mandoline geschrieben ist?

Klar! Man merkt, das ist nicht mandolinistisch. Bei der Gitarre ist es ähnlich: Dann ändern sich die Saiten, die Modulation, die Spannung, der Klang. Manchmal verhalten sich aber auch die Spielenden merkwürdig: Auffallend viele Mandolinisten spielen mit verstimmten Instrumenten. Wir verstehen das nicht. Es gibt auch Leute, die eine Barockmandoline haben und statt Darm- (heute eher Carbon) Saiten Stahlsaiten aufziehen!

Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline

Ihr habt auf Euren CDs einen so delikaten Klang. Diesen kann ich sofort im Radio erkennen.

Wir spielen mit Federn von Pfau, Ente und Fasan. Die Auswahl hängt vom Raum ab oder wie schnell wir spielen wollen. Für diese CD haben wir viele Federn kaputt gemacht. Für langsame Sätze nehmen wir Federn, die ein bisschen dicker sind, dann wird der Klang etwas runder. Für schnelle Sätze nehmen wir eine dünnere Feder. Unsere Instrumente sind alle von Alfred Woll.

Der 9. Ton auf dieser CD klingt so merkwürdig…

Die Tonart ist c-moll, die sehr selten in der Mandolinenliteratur vorkommt. Wir haben die Valotti-Stimmung (Temperatur) verwendet, die besonders in der historischen Aufführungspraxis gerne benutzt wird: Die Terzen sind da besonders groß!

Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline

Ihr erschließt immer mehr die Öffentlichkeit für die Mandoline. Andererseits geben viele Vereine auf…

Man darf den Unterricht nicht als Nebensache ansehen. Für uns ist die Orchesterarbeit sehr wichtig. Wir leben einen Traum!

Juan Carlos Munoz Artemandoline

Warum kann man Barock-Musik gut verkaufen? Was ist daran so zeitgemäß?

Wir haben sehr viel Freiheit, wenn wir Barock spielen. Anfangs haben wir von allem etwas gespielt: Modern, Romantik, Calace…“. Bis wir dann viele historische Instrumentenschulen gelesen hatten, wie Quantz. „Auf einmal gingen die Türen auf in Paris mit unserem ersten Label. Die haben sich gefreut, etwas ganz anderes zu haben! Das beste Kompliment, was man uns nach einem Konzert machen kann, wenn man sagt: „Das war richtige Barockmusik!“ Nicht: „Gute Musik auf der Mandoline“. Wenn das Publikum die Mandoline als Barockmusik angesehen hat, dann haben wir unser Ziel erreicht.

Dazu möchte ich Dir eine Anekdote erzählen. Wir hatten auf einem Festival gespielt und der Manager wollte uns die Gage übergeben. Da sagte er: „Ich kann Euch die versprochene Summe nicht geben. Ich kann es nicht bezahlen, was ihr gespielt habt. – Aber ich gebe euch 1000.-€ mehr!“

Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline

Wenn ihr sagt, ihr habt viel Freiheit in der Barockmusik – wie bereitet ihr euch darauf vor?

Wir proben fast jeden Tag. Man kann nicht einmal im Jahr die Barockmandoline aus dem Koffer nehmen und ein Konzert spielen. Viele Mandolinisten wissen, dass man in der Barockmusik verzieren muss – aber es passt nicht. Wenn man viel Barock spielt, dann versteht man das.

Der Stil! Man kann eine Sonate aus Norditalien nicht wie eine Sonate aus Neapel spielen. Es gibt große Mentalitätsunterschiede. Die norditalienische Musik passt gut zu dem Terz- und Quart Instrument Barockmandoline, wo man mit vielen leeren Saiten Arpeggios spielen kann. Es ist eine ganz besondere Musik, die man nicht auf Quintenstimmungs-Instrumenten, wie der neapolitanischen Mandoline, unterbringen kann.

Mari Fe Pavón Artemandoline

Und wie ist es bei Eurer CD „Fragrances of Venice“? Da wird ja in Venedig musiziert.

Das ist noch einmal etwas anderes. Da sind Neapolitaner nach Venedig gegangen – also wurden die Arien auf neue Weise interpretiert. Es ist ein Konzertmit einem Sopran, und zwei Mandolinen gehören zum Instrumentarium.

Die Stimmung im Barock lag zwischen370 Hz und 567Hz! In Venedig um 1700 galt sogar 460Hz. Eigentlich braucht man dafür ein anderes Instrument, man muss zwischen den Stücken wechseln. Aber wir bleiben bei 415Hz sonst werden wir verrückt…😊 Das ist die allgemeine Grundstimmung heutzutage.

Juan Carlos Munoz Artemandoline

Könnt ihr mir erklären, wie ihr Euch in der Barockmusik mit den Musikerkollegen absprecht?

Bei unserer Interpretation ist es uns wichtig, den Geist der einzelnen Kompositionen getreu und einheitlich wiederzugeben und insbesondere das Continuo bestmöglich zu besetzen. Während der Proben testen wir zahlreiche Möglichkeiten und wir passen unsere musikalischen Entscheidungen entsprechend an. Damit die Sonaten/Musik möglichst neu und frisch klingen, überlassen wir auch die Wahl der Klangfarben nicht dem Zufall. Die Besetzung des Basso continuo mit Cembalo, Orgel, Cello, Theorbe und Gitarre ermöglicht eine große Vielfalt an Variationen, und die ausgefallene Kombination von Gitarre und Orgel. DAS CONTINUO IST SEHR WICHTIG.

Sehr wichtig? Ich habe es immer für eine Begleitung gehalten.

 SEHR WICHTIG! Das Continuo macht alles aus. Affekte und Tonarten in der Barockmusik sind wichtig. C-moll, worüber wir am Anfang gesprochen haben, bedeutet „ernst“, das heißt, es ist eine besondere Tonart. Misterioso. Innerlich. Viele spielen diese Tonart wie G-Dur. Wenn man nicht versteht, was man spielt, kann man viele Fehler machen. Man geht in eine andere Richtung, die nichts damit zu tun hat.

Ihr spielt wie ein Theaterstück?

Ja, wie das Leben ist!

Mari Fe Pavón Artemandoline

Wie entdeckt Ihr denn solche Originalmusik? Könnt Ihr mir ein Beispiel erzählen?

Ja, aus unserer Vorbereitung der „Sospiri d’amanti“ CD.

Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline

Auf dieser CD ist eine Cantate von Gabriele Leone ( Cantate a voix seule et symphonie dans le genre Italien), ein Neapolitaner, der eine Zeit lange Direktor der Londoner Oper war. Der Organist Wilhelm Krumbach hatte Indizien, dass Leone eine Kantate geschrieben hat. Wir schrieben an den Mandolinisten Ugo Orlandi und er erinnerte sich, vor 30 Jahren so etwas in London gesehen zu haben. Und tatsächlich lag die Cantate in einem dicken Stoß italienischer Arien!

Dann geht es daran, die Tabulaturen im Computer lesbar zu machen. Hier ein Beispiel von Chancy:

Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline

Wie geht Ihr danach vor? Spielt Ihr alleine?

 Wir üben alleine, und dann kann man sagen, was man zum Continuo sagen will. Man kann sich zum Beispiel entscheiden, ob man Cembalo oder lieber Orgel möchte, wenn die Töne lange ausgehalten werden sollen. Wenn man die Theorbe durch eine Gitarre ersetzen muss, weil keine Theorbenspieler greifbar ist, dann ist die Magie weg. Es gibt unglaublich viele Impulse vom Continuo! Wir wollen die Mandoline voranbringen.

 

Und zum Abschluss noch eine Frage, die mir auf dem Herzen liegt: Sind die Scarlatti Sonaten für Cembalo oder für Mandoline? Denn mancher spielt sie auf der Mandoline.

Darauf können wir Dir eine klare Antwort geben: Die Sonaten K77, K81, K88, K89, K90 und K91 sind für Mandoline gedacht. Viele Akkorde können nur mit einem Instrument gespielt werden in Quartstimmung wie die Barockmandoline. Denn erstens haben sie eine Melodiestimme und darunter Basso Continuo. Und zweitens – jetzt kommt’s! – steht darüber „Sonatina per mandolino e cembalo“! Dieser Beweis liegt in der Nationalbibliothek in Paris.

Mari Fe Pavón Juan Carlos Munoz Artemandoline
Juan Carlos Munoz Artemandoline
Juan Carlos Munoz Artemandoline
Juan Carlos Munoz Artemandoline

Sie führen vor, wie eine Mandoline mit unterschiedlichen Plektren klingt:
Ein Plektrum mit wenig Bart und eines mit viel Bart.